Wissen schafft Sprache

Verena Hofstätter

S3E1 Geht Deutsch nur deutsch?

04.10.2022 11 min

Zusammenfassung & Show Notes

Das Fenster wird bei ihm zum Tageleuchter, das Kloster zum Jungfernzwinger und die Natur zur Zeugemutter. Nicht nötig, zu erklären, warum sich diese Wörter schlussendlich nicht durchgesetzt haben. In dieser ersten Episode der dritten Staffel fragen wir uns: Geht Deutsch nur deutsch? Oder anders: Wie viele "deutsche" Wörter verträgt die deutsche Sprache?

Abgeschafft oder nicht. Die Pandemie ist gekommen, um zu bleiben. Zumindest im sprachlichen Sinne. Laut dem Leibniz-Institut für deutsche Sprache bescherte uns Corona bereits mehr als tausend neue Begriffe. Booster, Lockdown, Homeoffice und Co. setzen aber nicht nur Querdenkerinnen zu. 

Aber nicht nur Corona geht Sprachpurist*innen auf den sprichwörtlichen germanistischen Zeiger.

Natürlich, das Erfinden neuer Wörter macht irrsinnigen Spaß. Und das sollte es auch. Schließlich lebt eine Sprache vom Einfallsreichtum ihrer Sprecher*innen. Durch das Pochen auf “deutsche” Begriffe kann man aber auch über das Ziel hinausschießen.

Einer der wohl berühmtesten deutschen Sprachbewahrer war Philipp von Zesen und Joachim Heinrich Campe. Ihnen verdanken wir unter anderem den Augenblick, den Abstand, den Kreislauf, die Rechtschreibung und das Tagebuch. Doch ihre Bemühungen waren lediglich gut gemeinte Irrlichter im Vergleich zu dem, was nach ihm kam.

mit der deutschen Reichsgründung 1871 nimmt eine systematische Verdeutschung Fahrt auf. Deutsch wird zum tragenden Symbol der neu gefunden politischen Einheit. Die Sprache der deutschen Kulturnation sollte ihre “Deutschheit” nach innen und nach außen widerspiegeln.

Die deutsche Sprachgeschichte ist also auch eine Geschichte vom Verdeutschen der deutschen Sprache. Dabei ist fremdsprachiges Wortgut im Deutschen aber weder neu noch ein Zeichen für sprachlichen Verfall.

Zählt man die Fremdwörter in einem ganz normalen Zeitungsartikel, kommt man auf einen Anteil von rund 8%. Davon sind im Schnitt nur 4% der Wörter englischen Ursprungs. st das tatsächlich mehr als es in früheren Epochen war? Ist es nicht. Die deutsche Sprachgemeinschaft ist sehr gut darin, “am Zahn der Zeit zu sprechen”. Was vor hundertfünfzig Jahren noch en vogue war, sagt heute niemand mehr.

Dem Booster, dem Lockdown und dem Homeoffice wird es ergehen wie dem Trottoir und dem Lavoire. Wir werden sie verwenden, solange wir sie brauchen. Wenn sie sich bewähren, werden wir sie eindeutschen. Wenn nicht, werden sie die Generationen nach uns einfach wieder ersetzen. Geplant oder gar vorgeschrieben muss das alles nicht werden. Es ist wie mit dem alten Sprichwort: Sprache passiert, während wir Pläne für sie schmieden.

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Die Musik im Intro dieser Staffel stammt von lemonmusicstudio.

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