Wissen schafft Sprache

Verena Hofstätter

S2E9 Mehrsprachigkeit in der einsprachigen Schule

… warum Sprachen in der Schule unterschiedlich viel wert sind

17.05.2022 36 min

Zusammenfassung & Show Notes

Jedes Kind kommt mit einem in irgendeiner Form mehrsprachigen Repertoire in die Schule. Doch weiß die Schule das auch? Im ersten Teil dieser neuen Serie zum Thema "Mehrsprachigkeit in der Schule" sprechen wir über sprachliche Bildung in Österreichs Schulen. Und wir suchen Antworten auf die folgenden Fragen: Was versteht man hier unter sprachlicher Bildung? Wie viele Sprachen passen in eine (österreichische) Schule? und Wie viel ist Mehrsprachigkeit in der Schule eigentlich wert? 

Mehrsprachigkeit ist der gesellschaftliche Normalfall. Auch in der Schule ist sie ständig “da”. Spätestens mit der ersten Fremdsprache sind alle Kinder auch in einem klassischen (= engen) Sinne mehrsprachig. 

Sprachliche Bildung also für alle da sein. Sie muss alle Kinder im Blick haben, ihre kommunikative Praxis und ihre jeweiligen sprachlichen Repertoires. Sprachliche Bildung muss — anders als der Name denken lässt — nicht an Sprache ansetzen, an Deutsch, an Englisch, an Französisch oder Türkisch, sondern an den Kindern, die sich sprachlich in mehrsprachigen Situationen bewegen.

Ein Blick in die österreichische Bildungslandschaft zeigt allerdings, dass Mehrsprachigkeit in Österreichs Schulen nicht gleich Mehrsprachigkeit ist.

Mehrsprachig zu sein ist in österreichischen Schulen kein Honigschlecken. Sprachliche Ressourcen werden vernachlässigt, Deutschkenntnisse als Zugangsbeschränkung zu Bildungsangeboten umfunktionalisiert.

Die politische Hilflosigkeit hinter fragwürdigen Fördermaßnahmen wie den sogenannten Deutschförderklassen spiegelt sich im öffentlichen Diskurs wider. Der Gedanke an Mehrsprachigkeit verunsichert nicht nur Entscheidungsträger·innen, sondern auch Eltern und Pädagog·innen. 

Wie wirkt sich die Mehrsprachigkeit der Kinder auf ihr Lernen aus? Auf ihre Sprachkompetenzen allgemein? 

Es hat sich herausgestellt, dass viele der Einstellungen zu Mehrsprachigkeit daher rühren, dass die Schule bis heute als einsprachiger Ort gesehen wird. In der Schule wird Einsprachigkeit immer noch als Norm gesehen. Mehrsprachigkeit, die durch das Erlernen von Fremdsprachen entsteht, ist erwünscht, da sie als additive Einsprachigkeit konzipiert werden kann. Das Kind ist deutschsprachig und kann dann halt auch Englisch. 

Lebensweltliche Mehrsprachigkeit, wie sie von knapp einem Viertel der österreichischen Schüler·innen — in Wien sind es mehr als die Hälfte —  tagtäglich praktiziert wird, wird vor diesem Hintergrund abgewertet, weil sie das einsprachige Schema zu sprengen scheint und noch dazu mit den “falschen” Sprachen. 

Kompetenzen auf Englisch werden als förderlich für Beruf und Mobilität gewertet, Kompetenzen auf Türkisch, Kurdisch oder Farsi stören Zusammenhalt, Solidarität und Lernklima, wenn die “betroffenen” Schüler·innen nicht entsprechen interkulturell gebildet werden.

Doch: Die Hierarchisierung von Sprachen und die — gewollte oder ungewollte — Ausrichtung des Unterrichts an einer einsprachig deutschsprachigen Norm ignoriert nicht nur vorhandene sprachliche und andere Kompetenzen der Kinder, sondern kann auch zu Ausschluss und Diskriminierung innerhalb der Schulgemeinschaft führen.

Mehr dazu in der nächsten Folge.

Passend zum Thema Bildung: Im Blog findet ihr die aktuellen Beiträge zur Serie zum Schriftspracherwerb.

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