Wissen schafft Sprache

Verena Hofstätter

Reisewörterbuch: Slawische Sprachen

Slawismen in der deutschen Sprache

06.09.2022 5 min

Zusammenfassung & Show Notes

Mit unserem Reisewörterbuch jetten wir Folge für Folge durch die Länder und sammeln ein paar deutsche Wortsouvenirs aus anderen Sprachen. Dritte Etappe: die slawischen Sprachen.

Wenn wir die Grenzen aus den deutschsprachigen Gefilden nach Osten hin überqueren, kommen wir? Genau, nach Polen. Denn daher stammt auch das Wort Grenze. Vom polnischen granica. Von Österreich aus wird man über die granicaallerdings zuerst nach Tschechien gelangen.  Und zwar über eine hranice.

In Tschechien kann man praktisch ohne Dolmetscher auf Lepschi gehen, wie man hier im germanischen Süden so schön sagt. Tschechische Namen sind an Wiener Türklingeln keine Seltenheit. Auch der Nachname Lepschi ist nicht ungewöhnlich. Zieht man um die Häuser, an denen diese Türklingeln angebracht sind, geht man sprichwörtlich auf Lepschi. Lepší bedeutet auf Tschechisch nichts anderes als besser. Auf Lepschi gehen tun wir also dann, wenn ein mühsamer Tag nur dann besser wird, wenn wir uns abends trinkend und tanzend vergnügen.
Vergnügt man sich trinkend in einem fremden Land, hilft wohl auch ein Dolmetscher nicht gegen das betrunkene Gelalle. Dem Dolmetscher liegt vermutlich das türkische tilmaç zugrunde, die Bezeichnung für einen Vermittler zwischen zwei Parteien, die unterschiedliche Sprachen sprechen. Wie passend, dass das Wort erst durch slawische Vermittlung in Deutsche gelangt ist.

Apropos, slawisch. Das ist auch der Schlawiner. Der klingt zwar im ersten Moment eher harmlos, hat aber einen äußerst rassistischen Nachgeschmack. Der Name kommt von einer Bezeichnung für slowenische Hausierer, die damals als besonders gerissen galten. Da hilft es auch nicht, dass wir in Wien daraus verniedlichend einen Schlawuzi machen.

Redet einer also von Schlawinern heißt es Dalli, dalli! Der Zuruf, der sich im Deutschen mit der Bedeutung schnelleingebürgert hat, geht auf das polnische dalej zurück. Die erste Steigerungsform von weit, also weiter!
Bei einem gemütlichen Picknick ist das Vernügen nach einem anstrengenden Tag vermutlich ungefährlicher. Und was gehört so alles zu einer gelungene Jause? Ein bisschen Quark und Obst mit Sahne? Quark zur Jause? Aber klar doch, das vergorene Milchprodukt hat in so ziemlich jeder westslawischen Sprache eine äußerst ähnliche Entsprechung. Bringt man das ursprüngliche altslawische Wort mit dem kirchenslawischen Wort творъ (tvorŭ) in Verbindung, weiß man auch worin der Frischkäse zubereitet wurde. творъ (tvorŭ) bedeutet nämlich Form. Und diese liegt auch  dem italienischen formaggio oder den französischen fromage zugrunde. Aber dort waren wir diesen Sommer ja schon.

So ein Topfen aber auch! Den würden wir nämlich in Österreich zur Jause essen. Und müssten mit dem Namen auch nicht einmal so weit reisen. Denn der Topfen kommt vermutlich nur vom althochdeutschen topho, aus dem sich auch unser modernes Wort Tupfen herleitet. Käse aus geronnen Milchtupfen quasi.

Wie süß, fast so süß, wie der Schmetterling, der sich auf unserer Sahne niederlässt. Den nennen wir übrigens so, weil smetana auf Tschechisch Sahne bedeutet und es doch tatsächlich Menschen gibt, die an Hexen glauben, die in Schmetterlingsgestalt fliegen, um Milch und Sahne zu stehlen, die wir eigentlich zur Herstellung von Butter benötigen. Wer’s nicht glaubt, übersetzt das Tier einfach mal ins Englische. Auch dort nennt man es gemeinhin butterfly.

Die Jause selbst haben wir natürlich auch entlehnt. Und zwar aus dem Slowenischen. Die slowenische Mittagsmahlzeit, die júzina, geht auf das urslawische Wort für Süden zurück, *jugъ (jugu). Das deutsche au in der slowenischen júzina sagt uns, dass das Wort bereits im 12. oder 13. Jahrhundert nach Österreich gewandert sein muss. Na brack.

Das Brack ist aber germanischen Ursprungs. Und steht für Ausschussware. Etwas, was man natürlich auf keinen Fall in seiner Jause haben möchte.

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