Wissen schafft Sprache

Verena Hofstätter

S2E8 Erstspracherwerb: Lautinventar (Teil 2)

wie wir lernen, Kinder besser zu verstehen

03.05.2022 32 min

Zusammenfassung & Show Notes

Ein Kind muss viel lernen, um für uns Erwachsene verständlich zu sprechen. Es muss lernen, den Rhythmus einer Sprache zu beherrschen, es muss lernen, seinen Sprechapparat soweit unter Kontrolle zu haben, um Sprachlaute bilden zu können, und es muss lernen, dieses mühsam erarbeitete Lautinventar zu Silben zu kombinieren, die irgendwann schließlich mit Bedeutung gefüllt werden können. Der kindliche Spracherwerb im Bereich der Phonetik und Phonologie ist nicht ganz ohne. Doch Kinder wissen, was ihnen hilft, ihre Umgebungssprachen zu lernen. Und genau das wollen wir uns in dieser Folge ansehen.

Ein Kind muss viel lernen, um für uns Erwachsene verständlich zu sprechen. Es muss lernen, den Rhythmus einer Sprache beherrschen, es muss lernen, seinen Sprechapparat soweit unter Kontrolle haben, um Sprachlaute bilden zu können, und es muss lernen, dieses mühsam erarbeitete Lautinventar zu Silben zu kombinieren, die irgendwann schließlich mit Bedeutung gefüllt werden können. Der kindliche Spracherwerb im Bereich der Phonetik und Phonologie ist nicht ganz ohne. Doch Kinder wissen, was ihnen hilft, ihre Umgebungssprachen zu lernen. Und genau das wollen wir uns in dieser Folge ansehen.

Die lautliche Entwicklung besteht aus der phonetischen und der phonologischen Entwicklung. Bei der phonetischen Entwicklung geht es darum, wie das Kind lernt, Laute zu bilden. Und bei der phonologischen Entwicklung schaut man sich an, wie es diese Laute dann in Wörtern verwendet.

Man geht davon aus, dass ein Kind mit ungefähr 8 Monaten das deutsche Betonungsmuster (Trochäus: betont—unbetont) nicht nur erkannt hat, sondern auch in seinen oder ihren Babbeläußerungen immitiert. Mit den ersten Wörtern erwirbt das Kind nach und nach weitere prosodische Fähigkeiten.

In seiner phonetischen Entwicklung engt das Kind das, was es produzieren kann, nach und nach ein, um irgendwann bei den zielsprachlich relevanten Lauten anzukommen. In der allerersten Phase ab der Geburt verfügen Säuglinge über ein reiches stimmliches Ausdrucksrepertoire. In diesem sogenannten Phonationsstadium ist der Sprechapparat allerdings noch nicht optimal ausgereift, weshalb hier nur Vorläufer von Lauten möglich sind. Mit etwa 6 bis 8 Wochen kommen Gurrlaute dazu, die im Rachen gebildet werden und so ähnlich wie Konsonanten klingen. In der nächsten Phase geht es dann ans Babbeln. Wenn das Kind Silben produzieren kann, die aus mindestens einem Vokal und einem Konsonanten bestehen, spricht man von einem Meilenstein in der frühen Sprachentwicklung.

Die Reihenfolge der erworbenen Lautkategorien ist im Deutschen wie folgt: Plosive — Nasale — Frikative.

Mit 10 Monaten etwa kann ein Kind auch längere Stränge babbeln, die fast wie ein ganzer Satz klingen. In sogenannten Protokonversationen führen Kind und Bezugspersonen bereits erste “Dialoge”.

Diese Kombination von Lauten ist systematisch, das heißt folgt bestimmten Regeln, die sich das Kind aneignen kann bzw. muss. So bildet es seine phonologischen Fähigkeiten aus. Die phonologische Entwicklung ist, im Unterschied zur phonetischen, untrennbar mit der lexikalischen Entwicklung verbunden. 

Die ersten Wortformen werden meist noch holistisch gespeichert. Das bedeutet das Kind speichert die Lautkette als ganzheitliches Paket, ohne es notwendigerweise in einzelne Laute zu segmentieren. Mit etwa 18 Monaten beginnt ein sogenannter Reoganisationsprozess. Das Kind fängt an, die Wörter, die es anfangs als Ganzes gespeichert hat, Laut für Laut zu verarbeiten. Man spricht hier von sogenannten phonologischen Prozessen, also systematischen Vereinfachungsprozessen. Das heißt das Kind verändert die zielsprachliche Wortform, indem es Laute entweder auslässt oder ersetzt. Das führt zu einer charakteristischen kindlichen Aussprache.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass ein deutschsprachig aufwachsendes Kind mit etwa 3 1/2-4 Jahren sowohl alle Laute separat produzieren, als auch im Wort korrekt verwenden kann. Schließlich muss das Kind "nur" noch lernen, wie es zwei oder mehrere Konsonanten miteinander verbindet.

Auch wenn es aufgrund seiner Systematik den Anschein hat, so sind alle Lauterwerbsprozesse nur als Beschreibungen von Entwicklungsverläufen zu verstehen, und nicht als angeborener Mechanismus.

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Bitte beachtet:

Ich bin jedoch weder Ärztin noch Logopädin. Die heutige Zusammenfassung der lautlichen Entwicklung kann und sollte nicht als Diagnoseinstrument verwendet werden. Falls ihr euch Sorgen um die Entwicklung von ein oder eurem Kind macht, bitte wendet euch in jeden Fall an einer ausgebildete Fachkraft.

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Literatur zur Folge : Fox-Boyer | Kauschke | IPA |

Hier geht's zur Tabelle zur Entwicklung des Lautinventars und zu den phonologischen Prozessen.

Im Blog findet ihr auch die zur Serie zum Schriftspracherwerb.

Interview mit Carla Heher vom Kinderbuchblog buuu.ch: Erstlesebücher

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